Am Abend sprechen uns hier in Gibraltar zwei junge Deutsche an (20 und 21 Jahre alt), Studenten, der eine Robotik, der andere Medizin. Sie überreichen uns ein „Expose“, Sie möchten einmal auf einer Yacht mitsegeln, können da ja mithelfen, können Wache gehen etc. etc.. Nachdem Jutta ja in Malaga aussteigt (es war von vorneherein so geplant, dass ich von dort dann alleine mit Lena nach Sardinien weiter segle) und die beiden sehr sympatisch sind, bitten wir Sie an Bord, stellen noch ein paar Fragen: was esst Ihr (Veganer und Vegetariere sind ja immer ein wenig mühsam), sie essen alles, sind da entspannt (was sich auch als richtig herausstellt); werdet Ihr seekrank, nein das werden sie nicht (das Gegenteil ist zutreffend, beide sind als „schwere Fälle“ einzustufen); habt Ihr denn Segelerfahrung, ja ein wenig UND sie haben viele Youtube-Videos in Sachen segeln angeschaut (zutreffend ist, außer auf einem Tauchboot waren Sie noch gar nie auf einem Boot unterwegs und haben null komma null Ahnung von irgendetwas).
Ich habe ja schon öfters „Fremde“ mitgenommen, ob es der tschechische Welt“umradler“ von Equador nach Panama 2012 war, der spanische Gitarrenspieler von Gibraltar nach Gran Canaria 2015, die zeitweisen Begleiter der Weltreise, da war auch ein Profi darunter 🙂 sie waren allerdings merklich älter und Schein und Sein differierte nur leicht. Maria aus Sardinien, die uns von Hao nach Tahiti begleitet hatte, hatte von vorne herein gesagt, dass sie nur für das Kochen und die Kinderbetreuung zu gebrauchen ist. Der Profi war ein Profi, das war immer recht stimmig. Dass da zwei, eigentlich recht vernünftige Jugendliche, einfach ein „Expose“ zimmern, was Sie so ähnlich schreiben wie „die anderen“ auf Instagram, Facebook und Co. und damit den Daumen an der Pier rausstrecken und anheuern, obwohl Sie keinen blassen Schimmer haben, was Sie da tun, das hat mich sehr beeindruckt und für mich ein neues Licht auf die Szene geworfen. Ich lese da ja auch in einigen Facebookgruppen in Sachen Mitsegeln etwas mit und wenn ich das hier mal zusammenfassen möchte das ist da etwa so:
Viele Leute kaufen sich ein Segelboot, haben aber selbst wenig (oder sogar gar keine) Erfahrung, können weder Segeln, noch haben sie Seefahrts-Erfahrung, sind also selbst weitgehend überfordert. Sie liegen überall auf der Welt in den Buchten und Häfen herum, hadern mit ihrer Überforderung und sind vollkommen perplex, wenn man Ihnen von unseren Reisen erzählt, oder es wagt bei mehr als 3 Bft den Hafen zu verlassen, oder gar nachts auf dem freien Wasser zu sein. Diese Gruppe ist mittlerweile zusammen mit denen, die nicht sowie mit festem Heimathafen ihr Boot eher als Wochenendhaus, denn also Fahrtenyacht benutzen, in einer beeindruckenden Mehrheit, würde mal sagen mehr als 80% (wenn nicht gar 90%) aller Yachtbesitzer. Damit ergibt sich aus Sicht der Hitchhiker eine klare Lage, bei jemanden anzuheuern der selbst keine Ahnung hat, ist ganz entspannt, der hat auch keine Ahnung was man können kann, wenn man wirklich Segelerfahrung hat. Ich habe mich schon Ende der 70iger, Anfang der 80er Jahre immer gewundert, wenn in der Truppe um Karl Sailer die Segler der BSV immer so hoch gelobt wurden. Tatsächlich habe ich solche Erfahrungen, wie mit meinen beiden Jungs, noch niemals gemacht. Die überaus größte Mehrzahl meiner Mittsegler auf meinen Reinke-Yachten waren BSV’ler und segeln konnten die, das was auf See ganz anders läuft, als am Ammersee haben sie schnell gelernt, wenn man segeln kann geht das eben auch ganz schnell.
Sollte ein Sailing-Hitchhiker das lesen, dann eine Bitte: Segeln lernt man nur beim Segeln, nicht aus Büchern und schon gar nicht bei YouTube. Und ob man seekrank wird oder nicht, weiß man frühestens, wenn man mal mehr als 3 Stunden bei ordentlich Wind auf einem Segelboot war und zwar unter Deck arbeitend. Und bis man sich die Fähigkeit einer (verlässlichen) Nachtwache angeeignet hat vergehen viele, viele (1000) Meilen NACHDEM man ein gute Navigatorische Ausbildung in einer Seefahrtsschule durchlaufen hat. Wenn Euch jemand aus der Gruppe, haben uns das Segeln auch selbst beigebracht, etwas anderes erklären will, dann seid vorsichtig, vor allem wenn Ihr mal einem Boot der 10% anheuern wollt, die wirklich Fahrtensegler sind. Man erkennt sie daran, dass sie dann auslaufen, wenn der Wind günstig ist, selbst wenn es in der Nacht sein sollte 😉